Museumsstiftung Post und Telekommunikation
  • Inventarnummer:4.0.34173
  • Bezeichnung:Installation "Aphrodisisches Telefon" oder "Hummertelefon"

  • Hersteller:Dali, Salvador (1904 - 1989) [Künstler]
    James, Edward Frank Willis (1907-1984) [Auftraggeber]
    Messrs. Green & Abbott Ltd. (gegr. 1888) [Hersteller]
  • Datierung:Datierung: 1938
  • Maßangaben:Objektmaß (b x h x t): 305 x 180 x 125 mm
  • Material/Technik:Material: Metalle, Kunststoffe, Gips
  • Systematik:Kunst | Objekt, Installation
  • Orte/Geografie:Herstellungsort: London
  • Objektart:Original
  • Erläuterungen:Das „Aphrodisische Telefon“ – meist vereinfacht „Hummertelefon“ genannt – gehört zu den bekanntesten Objekten des Surrealismus. Es verbindet einen damals in England gebräuchlichen schwarzen Telefonapparat aus Bakelit mit der bemalten Gipsattrappe eines Hummers auf seinem Hörer. Dieses Exemplar entstand im Jahre 1938 aus der Zusammenarbeit zwischen den Salvador Dali und seinem Freund, dem Kunstförderer und Sammler Edward James.

    Salvador Dali (Salvador Felipe Jacinto Dalí i Domènech, Marqués de Púbol) wurde 1904 in Figueras (bei Girona) geboren und starb 1989 ebendort. 1921 bis 1926 studierte er an der RABA de San Fernando in Madrid. Joan Miro führte ihn 1929 in den Kreis der Surrealisten ein. Als Maler, Grafiker, Bildhauer und Bühnenbildner vielseitig tätig, war die Welt des Unbewussten Dalís zentrales Motiv und er entwickelte sich zu einem der Hauptvertreter des Surrealismus. Doch 1939 wurde Dalí durch André Breton aufgrund politischer Differenzen aus dem Künstlerkreis ausgeschlossen. 1940 emigrierte Dalí in die USA und kehrte – inzwischen einer der bekanntesten Maler des 20. Jahrhunderts – 1948 nach Port LLigat in Spanien zurück.

    Edward James wurde 1907 in Greywalls (Schottland) als Sohn einer vermögenden Familie der britischen Oberschicht geboren; der spätere König Edward VII. fungierte als sein Pate. Dank seines Millionenvermögens finanziell unabhängig, betätigte sich James Zeit seines Lebens als Kunstförderer, Mäzen, Sammler und Dichter, später auch als Landschaftskünstler. James gehörte ab Anfang der 1930er Jahre zu den wichtigsten Förderern der surrealistischen Bewegung. Er war ein enger Freund von Salvador Dalí und René Magritte. In James‘ Kunstsammlung befanden sich eine Reihe der bekanntesten surrealistischen Kunstwerke. Mit seinem Londoner Wohnhaus in der Wimpole Street und mehr noch seinem Landsitz Monkton House schuf James ein surrealistisches Gesamtkunstwerk.

    Die Idee für das Hummer-Telefon lässt sich bis Anfang 1935 zurückverfolgen, als Dalí für die populäre Zeitschrift American Weekly seine Gedanken zur amerikanischen Kultur in mehreren Illustrationen zu Papier brachte. Die Zeichnung “New York Dream – Man finds Lobster in Place of Phone” zeigt einen entsetzten Mann, der zum Telefon greift und feststellt, es handelt sich um einen Hummer. Angeblich haben Dalí mehrere Anekdoten dazu inspiriert: James und Dalí hätten bei einem Hummeressen die Schalen mit Schwung weggeworfen und eine sei auf dem Telefon gelandet. Oder James habe eine wohlhabende Aristokratin besucht, die die Gäste mit einem Eiskübel Hummer an ihrer Seite empfangen habe. Als sie ihr Telefon klingeln hörte, streckte sie ihre Hand aus, aber anstatt den Hörer abzunehmen, habe sie aus Versehen den Hummer genommen. Nach dieser Lesart war es James’ Fantasie, die durch die Gegenüberstellung eines Telefons und eines Hummers beflügelte wurde und ihn veranlasste, Dalí die Schaffung eines „Hummertelefons“ vorzuschlagen.

    Als dreidimensionales Objekt taucht das "Aphrodisische Telefon“ das erste Mal 1936 in Dalís Oevre auf. Dalí war im Dezember 1936 in Begleitung von Edward James anlässlich seiner Einzelausstellung im Museum of Modern Art nach New York gereist. Während dieses Aufenthaltes gestaltete Dalí ein Schaufenster des Kaufhauses Bonwit-Teller, in dem neben der mit Likörgläsern versehenen „Aphrodisischen Jacke“ auf einem Tisch ein Hummertelefon stand. Hierbei handelte es sich um einen amerikanischen weißen Tischapparat von Typ Automatic Electric 1A Monophone ohne Wählscheibe, bei dem man den Telefonhörer entfernt und durch einen (angeblich echten) Hummers ersetzt hatte. Auffällig ist das Fehlen der Scheren, so dass sich der Hummer (oder die Languste) keiner existierenden Spezies zuordnen lässt.

    Eine zweite Version von Dalís Hummer-Telefon wurde auf der „Exposition Internationale du Surréalisme“ 1938 in Paris gezeigt: Neben einer mit Löffeln versehenen Schaufensterpuppe von Marcel Duchamp stand auf einem geflochtenen Tisch – umgeben von einem halben Dutzend gefüllten Likörgläsern – ein französisches Tischtelefon der PTT, Modèle 1924. Der Hörer fehlte, an seiner Stelle lag ein Hummer auf der Telefongabel. Auffällig ist die Reihe von Stacheln auf dem Rücken des Hummers, die in der Natur nicht vorkommen. Sie entstammen Dalís Phantasie und sind keiner Hummer-Spezies zuzuordnen.
    Im Katalog der Ausstellung findet sich unter der Nr. 15 auch der Titel der Installation „Aphrodisisches Telefon“. Im gleichzeitig zur Ausstellung erschienenen „Dictionnaire abrégé du Surréalisme“ werden die „Aphrodisischen Telefone“ folgendermassen beschrieben: „Die Telefonapparate sind durch Hummer ersetzt, deren fortgeschrittenes Stadium durch phosphoreszierende Plättchen sichtbar gemacht wird, echten getrüffelten Fliegen-Attrappen.“

    Das Telefon spielt in Werken Dalís eine Rolle mit wandelnder Bedeutung, wogegen er vom Hummer fasziniert war – das urzeitlich wirkende Krustentiers umschloss mit einer harten Schale das zarte Fleisch im Inneren: "Ich habe eine Vorliebe für die jungen Mädchen und für die Hummer. Wie die jungen Mädchen haben sie ein erlesenes Inneres ... Wie die Hummer erröten sie, wenn man sie genießbar machen will." Die sexuelle Konnotation und vor allem die aphrodisierende Kraft des Hummers machten ihn zu einem zwingenden Thema für Dalí.
    Die Hummertelefone sind auch Ausdruck für Dalís, in seiner fiktiven Autobiografie „Das Geheime Leben“ geschilderte Lust nach Unangepasstsein und die Intention, alles Technische ad absurdum zu führen: „Mein Leben lang gewöhnte ich mich nur schwer an die verwirrende, verblüffende „Normalität“ des Menschen in meiner Umwelt. (…) Ich kann nicht begreifen, warum die Menschen so wenig individuell sind, warum sie sich so gleichförmig kollektiv verhalten. (…) Ich verstehe nicht, dass man mir, wenn ich im Restaurant einen gegrillten Hummer verlange, nie ein gekochtes Telefon serviert; ich verstehe nicht, warum Champagner stets eisgekühlt ist, Telephone hingegen, die sich gewöhnlich so schrecklich warm und unangenehm klebrig anfühlen, nicht auch in silberne Kübel mit zerstoßenem Eis gesteckt werden. Eisgekühltes Telephon, minzgrünes Telephon, Telephon als Aphrodisiakum, Hummer-Telephon, in einem Zobelfell steckendes Telephon für das Boudoir eines Vamps (…) Edgar-Allan-Poe-Telephone, in deren Innerem sich eine tote Ratte verbirgt, Böcklin-Telephone, die im Innern einer Zypresse angebracht sind …“.

    Wie alle anderen erhaltenen Hummer-Telefone stammt auch das vorliegende Exemplar aus der Sammlung von Edward James. Dalí und James kannten sich seit 1934 und waren eng miteinander befreundet. James unterstützte Dalí finanziell, um ihn vom Zwang zu befreien, für den Kunstmarkt zu produzieren. Im Dezember 1936 – als Dalí das erste Hummertelefon in New York fertigte – schlossen sie einen Vertrag, nachdem James gegen eine großzügige monatliche Zahlung alle Werke übertragen wurden, die Dalí zwischen Juni 1937 und Juni 1938 schaffen würde. Dalí beschrieb James als „Kolibri-Poeten, der aphrodisische Hummer-Telefone bestellte, die besten Dalís kaufte und natürlich der reichste“ seiner Freunde war.

    Schon ab November 1935 beteiligte James Dalí an den Umbauarbeiten für sein Anwesen Monkton House, ein im Arts-and-Crafts-Stil errichtetes Landhaus seiner Eltern auf seinem Anwesen West Dean in Sussex. Während sich manche Vorschläge Dalís nicht realisieren ließen, wurden andere umgesetzt. So entstand das bedeutendste surrealistische Ensemble in Großbritannien, voller außergewöhnlicher Objekte und theatralischer Überraschungseffekte.

    Für die Einrichtung entwickelten Dalí und James im Sommer 1936 verschiedene Ideen für surrealistische Objekte und Möbel wie beispielsweise hohe Lampenständer in Form übereinander gestapelter Champagnergläser oder das legendäre rote „Mae-West-Lips“-Sofa . Dalí und James bildeten in dieser Phase eine einzigartige Konstellation, in der James erheblichen Einfluss auf die Arbeiten Dalís nahm und dem Surrealismus im Bereich der Objekte einen neuen Impuls gab. Dabei entwickelte sich James zunehmend zum Ideengeber, der für Dalí nicht nur Anregungen lieferte, sondern der auch die Kontrolle über die endgültige Umsetzung der bei dem Londoner Innenausstatter Green & Abbott in limitierter Auflage produzierten surrealen Möbel behielt.

    Nach einigen Diskussionen zwischen Dalí und James bestellte James für Monkton House und für sein Haus in der Wimpole Street Nr. 35 im Zentrum von London bei Green & Abbott elf Hummer aus Gips, wie aus einer Rechnung vom 18. Juli 1938 hervorgeht. Sieben weiße Gips-Hummer wurden gefirnisst (oder möglicherweise weiß lackiert und dann gefirnisst), während vier farbig gefasst wurden um lebenden roten Hummern möglichst nahezukommen. Die weißen Exemplare waren für diejenigen Räume in der Wimpole Street bestimmt, die von der bekannten Innenarchitektin Syrie Maugham weiß eingerichtet worden waren. Weiße Hummer kommen in der Natur durchaus vor; innerhalb der Familie der Nephropidae gibt es große Farbvarietäten - auch schwarze Hummer lassen sich finden.

    Der wesentliche Unterschied der New Yorker Fassung von 1936 und der Pariser Fassung von 1938 zu den Londoner Exemplaren besteht darin, dass bei ersteren in der Natur nicht vorkommende Hummerartige (Nephropidae) an Stelle der Hörer auf den Gabeln liegen; in London jedoch die naturalistische Darstellung eines Hummer (Homarus) den Hörer umschließt. Dessen glattes Äußeres lässt auch eine Benutzung zu - im Gegensatz zu den Stacheln der Pariser Version. Ohnehin liegt hier der entscheidende Unterschied: Entgegen dem von Dali selbst formulierten Postulat, ein surrelistisches Objekt müsse komplett zweckfrei sein, bleibt das Hummer-Telefon ein funktionsfähiger Gebrauchsgegenstand.

    Es gibt wenige Belege dafür, dass eines dieser elf Hummer-Telefone in den Jahren nach 1938 an das Telefonnetz angeschlossen wurde. James’ Nichte gab an, dass sie in James’ Haus in der Wimpole Street ein Hummertelefon gesehen habe. Auch der Galerist Julien Levy berichtet, dass Hummer „zu Ehren von Dalí als Hörer an allen Telefonen in seinem Haus in der Wimpole Street“ angebracht wurden. Allerdings existieren eine Reihe historischer Fotos der Innenräume und auf keinem der Bilder ist ein Hummer-Telefone abgebildet.

    Es handelte es sich offenbar nur um eine temporäre Installation, denn die ausgehöhlten Gipshummer ließen sich reversibel über die Telefonhörer stülpen. Ein Unterteil wurde von unten unter den Hörer in den Hummer geschoben und beiderseits mittels Schrauben fixiert. So ließen sich die Hummer einfach wieder abnehmen und an anderen Apparaten anbringen. Dies schien auch notwendig, denn zu dieser Zeit konnte man keine Telefone kaufen, vielmehr waren alle Telefonapparate Eigentum des General Post Office und wurden nur vermietet. Jede Veränderung an den Apparaten war strikt verboten und mit Strafe bedroht. Zudem sind die Telefone mit den angebrachten Hummern unpraktisch und schwer zu halten und die Hummer zeigen trotz des empfindlichen Materials keine Abnutzungsspuren oder zwangsläufig eintretende kleinere Beschädigungen.

    Während des Zweiten Weltkrieges zog James in sein Cottage Monkton House. Sein Londoner Haus wurde durch Bomben teilweise zerstört und er kehrte nicht mehr dorthin zurück. Allerdings hatte James die Kunstwerke – drei große Bilder von Magritte und eine Reihe von Gemälden von Dalí – rechtzeitig entfernt. Die Hummer-Telefone gelangten nach Monkton House bzw. in das nahe Haupthaus des Anwesens West Dean, wo sie mit seinem Nachlass an die Edward James Foundation übergingen.

    Schon zu seiner Entstehungszeit erreichte das Hummertelefon einen hohen Bekanntheitsgrad, der auch andere inspirierte. Die Modemacherin Elsa Schiaparelli entwarf 1937 Abendkleider mit Hummer-Design, die denen der Schwanz geschickt über dem Schritt der Trägerin platziert war. Angesichts seiner Berühmtheit ist es überraschend, dass das dieses Hummertelefon - als erstes überhaupt - erst im Jahre 1971 in der Ausstellung „Metamorphose des Dinges: Kunst und Antikunst 1910-1970" ausgestellt und für den Katalog fotografiert wurde (Abb. auf Seite 93). Dieses Exemplar - erkennbar an einem kleinen Farbfleck auf der Innenseite des Hummers - befindet sich heute im Besitz der Museumsstiftung, die es 1988 bei Christie’s in New York erworben hatte. Der Hummer befindet sich auf einem zeitgenössischen Telefonapparat des britischen General Post Office vom Typ Nr. 162, einem in den 1930er Jahren üblichen Standardapparat. den auch James in der Wimpole Street gehabt hatte.
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